Ein japanisches Abenteuer

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2008 Ig Halle, Rapperswil

Seit über dreissig Jahren ist Sonja Duò-Meyer vom Ton fasziniert, insbesondere vom Porzellan. Sie liebt die Langsamkeit des Entstehungs- und Werdeprozesses, den sie als sehr meditativ erlebt. Den expressiven Reichtum des keramischen Materials, seine Fähigkeit, die Spuren der formgebenden Finger aufzunehmen, setzt die Künstlerin bewusst ein und versucht auch mal, an die Grenzen des Materials zu gehen. Auf dem schmalen Pfad zwischen Kunst und Gebrauch wandelt Sonja Duò-Meyer tänzerisch und lässt sich vom Cross-over beider Gebiete gerne inspirieren.

Ein japanisches Abenteuer

Trotz des reichen und ausgereiften Werks, auf das die Künstlerin bereits zurückblicken kann, bedeutete ihr jüngster, zweimonatiger Aufenthalt in Tajimi, in der japanischen Provinz Gifu, als «Artist in Residence» eine grosse Herausforderung. Eine Herausforderung und Ehre, die zugleich ein grosser Glücksfall war, weil in Japan der Keramik ein unvergleichlich höherer Stellenwert zukommt als bei uns, insofern als Japan eine sehr alte und vielfältige Keramiktradition pfl egt. Eingeladen wurde Sonja Duò-Meyer aufgrund des 7. Internationalen Keramikwettbewerbs 2005 der japanischen Stadt Mino, wofür die Künstlerin ihre Wandinstallation «25 gordische Knoten» eingereicht hatte. Diese Arbeit wurde mit einer «Honorable Mention» ausgezeichnet und überdies wurde Sonja Duò-Meyer zur Ausstellungseröffnung eingeladen. Nach diesem Erfolg bewarb sie sich für einen Aufenthalt in Tajimi als «Artist in Residence» und wurde aufgenommen. Während zwei Monaten wurde Ihr ein Studio zur Verfügung gestellt. Sie konnte zudem bei zwei Familien wohnen, mit der Verpfl ichtung, ihren Stage mit einer Ausstellung im Mino Museum of Modern Ceramic Art in Tajimi (Provinz Gifu) abzuschliessen. Während dieses, ihres Aufenthaltes stand ihr ein Sensei, ein Meister, zur Seite. Unter seiner inspirierenden Aufsicht konnte sie aus einer Reihe von Porzellansorten die geeignete aussuchen; auch führte er sie in die raffi nierten Brennverfahren und Glasurtechniken ein. Gleichzeitig erwarteten ihre Gastgeber, dass etwas von der japanischen Keramikkultur in ihre Arbeit einfl iessen sollte, was konsequenterweiseauch geschah. Seither setzt Sonja Duò-Meyer beispielsweise das leuchtende Rot ein, das in traditionellen japanischen Keramikgegenständen vorkommt. Ohne Glasur trägt sie es direkt auf das Porzellan auf. Als bereichernd wirkt sich dabei, neben den Brennverfahren, auch die Vielfalt der verschiedenen eingefärbten Porzellane aus.

«Nishiki»-Essenz

So hat sich das japanische Abenteuer als sehr befruchtend für die Arbeit von Sonja Duò-Meyer erwiesen, wovon auch der bedeutungsträchtige Ausstellungstitel «Nishikigoi» spricht. Einerseits verweist das Wort «goi» auf die wunderschön gefärbte Musterung der Koi-Karpfen. Etymologisch bedeutet es Glück, Liebe und Aufschwung, während «Nishiki» zwei sich in Harmonie vereinigende Dinge meint. Eine Prise «Nishiki»-Essenz bergen zum Beispiel Sonja Duò-Meyers Oribe-Ballerinas. Die Ballerinas bestehen aus vier schwarzen gedrechselten Beinen, welche die Künstlerin aus ihrem älteren Werk aufgenommen und mit einem formal verzogenen, fl achen Gefäss im Oribe-Stil kombiniert hat. Benannt sind sie nach dem Samurai und Teemeister Furuta Oribe, dem Gründer der Oribe-Schule, der von 1544 bis 1615 lebte und die Keramikkunst erneuerte. Die Oribe-Keramik ist im Gegensatz zur archaischen japanischen Ausrichtung wesentlich mehr von der Glasur und vom Dekor bestimmt. Im Grunde war der Oribe-Stil eine Antwort auf die europäische Kunst, die damals über die portugiesischen Missionare in Japan bekannt wurde. Noch heute wird der Oribe Stil angewendet.

Animistisches Leben

Neben den japanisierenden Objekten sind auch etwas ältere Werke ausgestellt, so schlichte Gefässformen neben den linearen Wandreliefs und Wandobjekten. Wenn die Porzellanschnüre und -wülste nicht für den Aufbau der Gefässe verwendet werden, wie dies traditionellerweise der Fall ist, fi nden sie sich bald zu Knäueln verdichtet, bald zu insektenähnlichen Objekten konfi guriert und scheinen ein animistisches Leben zu atmen. Dieser Eindruck wird hervorgerufen besonders durch den Lichteinfall auf die an der Wand befestigten Gefl echte, die sich dadurchdauernd verändern. Bei den in freier Handaufbautechnik geschaffenen hohen, unglasierten Gefässen von 2006, ist das Porzellan bis an seine Grenzen ausgedehnt worden. Die Oberfl ächen erzeugen ein raffi niertes Licht- und Schattenspiel und scheinen zu vibrieren, machen aus den Gefässen sprechende Kunstwerke. Den Werken von Sonja Duo-Meyer eignet etwas sehr Stilles an, so als hätte sich die meditative Arbeitsweise der Künstlerin auf ihre Objekte übertragen. Eine Stille, die sich auch auf die Betrachter überträgt. Zu dieser Arbeitsweise gehört auch, dass sie nicht gross skizziert, sondern dass vielmehr alles während des Schaffensprozesses entsteht. In die Stille dringt immer wieder ein leichtes, witziges, gar gewagtes Element, welches sich besonders in den linearen Wandarbeiten zeigt oder auch in den Schmuckstücken, welche die Künstlerin seit zwei Jahren herstellt. Der Entstehungsprozess der Arbeiten bleibt nachvollziehbar: So erspürt man den Zustand der Weichheit noch in den gedrechselten Schnüren und den gordischen Knoten, bevor die in ihrer Gestalt angelegte Bewegung durch den Brennprozess festgehalten wird.

Archaische Kraft

Die amphorenartigen Gefässe sind ja angesichts ihrer jahrtausendealten Geschichte mythologisch stark aufgeladen. Mit den Mitteln der Schlichtheit und der Reduktion auf eine kompakte, unverzierte, einfarbige Form, die dennoch bewusst unregelmässig gehalten ist, gelingt es Sonja Duò-Meyer, die archaische Kraft und Präsenz solcher Gefässe auf sehr überzeugende Weise einzufangen und Skulpturen aus dem Jetzt zu schaffen. Durch den Verzicht auf Glasuren werden die Objekte noch plastischer, wodurch sich ihre sinnliche Präsenz verstärkt. So genügt die schlichte, auch üppige Form ganz und gar sich selbst, ist sich genug in ihrer Vollkommenheit. Unangefochten steht sie als Repräsentantin einer Urform im Licht einer Schönheit des Einfachen, die alle Moden und Kunstströmungen überdauert und dennoch oder gerade deshalb zu allen spricht.

Dr. Dominique von Burg, Kunsthistorikerin, Zürich (Rede Anlässlich der Ausstellungseröffnung in der IG Halle Rapperswil, 23. Mai 2008)